Episode 11

Ein Tag in einer unruhigen Epoche. (Teil 1)

Gestern weilte ich in der Wohnung meiner Tochter, als plötzlich jemand an der Tür klingelte.
Draußen standen zwei junge Männer. Mein Aussehen verriet ihnen, dass ich nicht der Herr des Hauses bin. Ein etwas orientalisch aussehender Mann kann doch kein Träger eines slawisch- christlichen Namens sein!
Sie präsentierten sich freundlich als Zeugen Jehovas und gaben mir eine Einladung zu einem feierlichen Abend. Ich möge so nett sein und die Einladung an meine Tochter und ihren Mann weiterreichen. Bis jetzt galten Mitglieder dieser Sekte als bieder und altmodisch.
Die zwei Männer, die vor mir standen, waren jedoch modern , höflich und strahlten ein Neuzeitcharisma aus. Jenes Charisma, dass uns in der Regel aus dem Fernseher von Kommissaren, Moderatoren und Komödienstars bekannt ist.
Man ist witzig, soll, freundlich, klug und das ohne einen Schimmer von Zweifel an der eigenen Kompetenz und Einzigartigkeit.
Nelson Mandela gewann sein Charisma im Widerstand gegen Rassismus und durch einen Jahrzehnte andauernden, bitteren Aufenthalt im Gefängnis. Die zwei Männer, die vor mir standen, gewannen ihr selbstsicheres Auftreten in bequemen Workshops. Ich nenne es „Instant Charisma“!
Am Abend wurde in allen Fernsehkanälen über den Krieg in Syrien berichtet und über die Wahlerfolge der neuen rechtspopulistischen Partei.
Tausende von Asylsuchenden befinden sich auf dem Weg zu uns. Die meisten Krieg finden in muslimischen Ländern statt und ein TV-Satiriker verfasst einen lustigen Schmähtext uber Erdogan.
Meiner Meinung nach hat die Krise in den muslimischen Ländern mit dem heutigen Islam nur bedingt zu tun. Es war kein Zufall, dass jeder Stamm seinen eigenen radikalen Ableger von der hauptislamischen Strömung entwickelte. Nur Feindschaft und Mistrauen können die archaisch autoritäre Struktur eines Stammes gegenüber der Moderne und dem gierigen Nachbarstamm verteidigen. (Sunniten kontra Schiiten, der blutige Klassiker).
Unsere Religionen wurden von Jahrtausenden erfunden. Heute im Zeitalter eines schamfreien, virtuellen Selbstverwirklichungswahns, fern vom unerwünschten Sinnieren über den Sinn des Daseins und „lästigen“ direkten sozialen Verpflichtungen, fehlt es auch dem einfachsten Araber an einem Mindestmaß an kollektiver Naivität um „richtig“ religiös zu sein und darin liegt die Wahrheit nur halb begraben.
Die Krise ind er islamischen Welt manifestiert vielmehr die Angst der Machthaber vor dem Tag nach der fälligen Reformation des Islam! Nicht nur in Istanbul, auch in Frankfurt versuchen religiöse Gruppen, braungesinnte Politiker und Sekten wie smarten Jungs der Zeugen Jehovas, unsere aktuelle Verwirrung zu nutzen, um ihre „Stammesreligion“ oder Ideologie wieder schmackhaft zu machen.
Sie treten raffinierter und moderner denn je auf. Es winkt ihnen ja ein leichter, sicherer Job mit viel Macht und Einfluss.

Gedanken über Kunst und Demokratie (unruhige Epoche, Teil 2)

Der Mann vom Bosporus ist für die Demokratie vielleicht nicht minder gefährlich als Putin. Es ist dennoch fragwürdig, ob der beste Weg dagegen anzutreten, der Gebrauch eines von Arroganz triefenden Schmähtextes ist.
In Deutschland toben tausende von Comedy-„Künstlern“. Im beschaulichen Bad Vilbel treten monatlich dutzende Comedy Artisten und Artistinnen auf.
Ist das ein Zeichen einer florierenden Demokratie, oder Humor im Überfluss? Weder noch. Der Erfolg dieser Unterhaltungsgattung hat mehr mit der deutschen Vergangenheit zu tun, als mit der Gegenwart, oder der Qualität dieser Abende. Das neue Deutschland hat es satt in den düsteren Schatten der Vergangenheit zu leben und das zu Recht. Die Frage ist nur, müssen wir (wieder) unbedingt die panische Flucht von einem Extrem zum Anderen wählen?
Die Comedy- und Politsatiriker instrumentieren mit Geschick diese Sehnsucht, um die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. „Hast du meinen Witz verstanden, dann bist du cool und oben drauf bist du die düstere Vergangenheit los“ - heißt das simple Rezept dieses fragwürdigen Phänomens.
Wer wird so ein verlockendes Befreiungsangebot (Erpressung) denn ablehnen können?
In Vereinen, im Karneval und Volksmusikveranstaltungen funktioniert diese (didaktische) Methode seit eh und je bestens. Willst du dazu gehören? Ja, dann trink ein Bier und fang endlich an zu lachen!
Wahre Demokratie bedarf nicht nur des Schutzes vor äußeren Feinden und hier betreten wir eine arg geschundene Landschaft. Welches Gremium soll entscheiden wann der Demokratie eine Gefahr von Innen droht? Hundertmillionen Minderjährige weltweit schauen im Internet täglich gewaltverherrlichende Beiträge und Pornofilme, soll deshalb das Internet zensiert werden?
Es ist vielleicht an der Zeit, vorläufig damit aufzuhören uns ständig mit einer Wissensvermehrung zu beschäftigen, um diesen unüberschaubaren Ozean an Wissen nach dessen nützlichen und moralischen Werten zu sortieren. Nur wer soll das nach welchen Kriterien tun?